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Interview geführt von Paul Daniel in Oktober 2007:

Die Textilkunst, wie Du sie ausübst – indem Du nämlich vor allem Objekte gestaltest – ist eher wenig verbreitet, und ich kenne, abgesehen vom Museum für angewandte Kunst, kaum eines, das der Textil-Skulptur Raum gibt. Wie bist Du zu dieser Ausdrucksmöglichkeit gekommen?

In Österreich findet man kaum Textil-Skulpturen wie ich es mache, Frankreich und Italien hat da schon eine andere Tradition. Im Grunde sind die meisten Textilien auch Skulpturen wie Polster, Fahne, Kleidung … Außer als Untergrund für ein gemaltes Bild wird Textil meist dreidimensional verwendet. Ich bin zu dieser Einsicht gekommen als ich eine Tapisserie nach einem abstrakten Bild weben wollte wie es mein Prof. an der Akademie für Bildende Kunst als die „Textile Kunst“ im Gegensatz zu Kunsthandwerk propagierte. Es sollte ein sehr großer Teppich werden. Bei der Arbeit wurde mir klar, dass Malerei Gesetzen folgt, die von Farbe und Untergrund bestimmt sind und textile Kunst nicht umsetzen von Malerei in Textil sein soll. Von da an vertiefte ich mich in die besonderen Eigenheiten und Gesetze des textilen Materials und der textilen Techniken. Transparenz, Plastizität, Verformbarkeit, Leichtigkeit, Farbintensität aber auch Struktur und Textur des Textilen wurden für mich wichtig. Außerdem interessiert mich der symbolische Gehalt vieler Textilien, wie Fahnen, Kleidung (ein Herold war nur im Heroldgewand ein Herold und das funktioniert bis zum heutigen Markenwahn), oder der historische Hintergrund (das goldene Vlies – die Skyten haben zur Goldgewinnung Widdervliese in den Fluß gehängt –Medea – auch Orden der Habsburger), außerdem verleiht die textile Arbeit den Frauen eine gewisse Macht (findet man in den Märchen wenn Frauen Stroh zu Gold spinnen oder die 3 Parzen oder roter Faden…) oder Frauen werden im Biedermeier und der Gründerzeit mit Handarbeit diszipliniert, dürfen nur heiraten wenn sie sich die Aussteuer erarbeitet haben. Auf Textilien wurden auch Botschaften übermittelt wie auf Teppichen oder die Inka hatten eine Art Schrift auf ihren Textilien und Rechnungen wurden auf „Quipu“s übermittelt (ein Knotenband).
Meine besondere Beziehung zu Textilien habe ich wahrscheinlich auch durch meine Großmutter, die für andere Leute Wolle gesponnen hat (ihr Zimmer war immer voll mit Wolle, Spinnrad, Haspel und sie hat auch in dieser Umgebung Märchen erzählt) und meinen Vater, der in der Lodenfabrik in Mühldorf arbeitete wohin ich ihn oft begleitete.

Welche Materialien und welche Techniken liegen Dir besonders?

Transparente Materialien und gut färbbare Naturmaterialien liebe ich besonders. Viele Fragen bezüglich Färben und konservieren von Textilien bekomme ich nicht beantwortet, deshalb experimentiere ich sehr viel. Ich denke, dass früher die Leute zu den Textilien mehr Bezug hatten, weil sie sich teilweise um die Produktion und Verarbeitung selber kümmern mussten. Textile Techniken machen mich alle neugierig. Es fasziniert mich, dass textile Techniken überall zu finden sind, von den Vogelnestern angefangen bis zur modernen Architektur.

Jedes Deiner Werke hat ein Thema, das über die bloße und ohnehin schon sehr spannende Auseinandersetzung mit dem Material weit hinausweist. Deine Arbeiten tragen Titel wie “Drei Grazien”, “Der Faden reißt” und “Spazierwege”. Wie kommst Du zu den Themen, und wie gelangst Du vom Thema zum gestalteten Werk?

Die Themen kommen auf verschiedene Art und Weise zustande. Manchmal brennt mir ein Thema unter dem Nagel und ich versuche meine Einstellung dazu auf meine Art auszudrücken. Das „Leichentuch“ zeigt meine Empörung über die amerikanische „Demokratie“, die über Leichen geht. Die Fahne auf Rosen gemalt zeigt den amerikanischen way of life, der bei uns Maß aller Dinge ist. Oft arbeite ich an einem Objekt und ich suche später dazu den Titel. Manchmal ergibt sich das Thema aus dem verarbeiteten Material wie z.B. „Spazierwege“. Oder ein Ereignis wie der Tod meines Bruders bestimmt die Gestaltung „Werden und Vergehen“.

Deine Skulpturen erzählen oft auch Geschichten. Könntest Du bitte kurz die Geschichte von “AltweibersomAltweibersommermer” erzählen?

„Altweibersommer“ bezieht sich auf meinen derzeitigen Lebensabschnitt. Früher hieß das allerdings „Altwebersommer“. Die dabei verarbeiteten Ballonseidenfasern stammen aus dem 2. Weltkrieg. Die Bevölkerung von Mühldorf bediente sich mit diesem Material aus einem am Ende des Krieges im Bahnhof abgestellten Wagon. Ich habe diese Fasern in mehreren meiner Arbeiten verwendet, weil sie sehr reißfest und wunderbar färbbar sind.

Auch den Hintergrund von “Text” finde ich sehr spannend – könntest Du den bitte ebenfalls kurz erläutern?
Text – Textur – Textil geht in die gleiche Richtung und alles ist in dieser Arbeit vereint. Text erinnert durch die Einkerbungen an Keilschrift. Textur entsteht durch die plastische Oberflächengestaltung und Textil ist es durch Material und Technik (Molatechnik, angewandt von mittelamerikanischen Indianern, die ihre Oberteile der Kleidung in dieser Technik mit Symbolen schmücken) . Der Zusammenhang von Textil und Text ist auch insofern interessant, da der Jacquardwebstuhl als erster Computer angesehen werden kann.


Beim Formulieren eines Textes über Textilien wird mir sofort bewusst: Wörter oder Stoffe – sie werden in vielerlei Weise benützt, auch benutzt –, hoch geachtet, gering geschätzt, sind alltäglich, symbolträchtig, werden wieder in neue Zusammenhänge gebracht, verändert, verdichtet, verschleiert, transparent gemacht.

Warum verwendet Veronika Gruber Textilien für ihre Kunstwerke? Sie arbeitet mit diesem Material, um es aus seiner Alltäglichkeit herauszuheben. Denn alltäglich sind Textilien jedenfalls. Sie sind an uns, um uns, unter uns, neben uns. Wir nehmen sie wärmend, schützend oder schmückend wahr. Wir nützen und benützen sie. Sie teilen uns Stimmungen mit, können uns aufregen oder beruhigen. Veronika will uns zeigen, dass textile Materialien immer wieder faszinierend neu sein können. Sie bieten eine unendliche Palette an Farben und Strukturen, ihre Eigenschaften reichen von blickdicht bis transparent, von seidenglatt bis rau, sie lassen sowohl flächige als auch plastische Bearbeitung zu.

Es sind jedoch nicht nur geformte Materialien sondern vor allem Stoff gewordene Gedanken und Worte, die uns hier präsentiert werden und die es verstehen, viele unserer Sinne anzusprechen.

Ulli List


Veronika Gruber
…eine Künstlerin deren Werke für mich einzigartig und unvergleichlich sind.

Sie arbeitet mit einem Material, dessen Verarbeitung genaue Entwürfe und Planung und in der Ausführung großes handwerkliches Geschick verlangt. Dass das was dann entsteht trotzdem leicht, schwebend, intuitiv und zutiefst aussagekräftig ist zeugt von hoher Professionalität und Können.
Faszinierend ist die große Vielfalt und Unterschiedlichkeit ihrer Werke sowie die individuelle Anpassungsfähigkeit an den Auftraggeber, die örtliche Umgebung und an das Thema. Es entsteht immer ein persönlicher Bezug. Ich selber darf mich als großer Bewunderer von Veronika bezeichnen und freue mich darüber einige ihrer Werke besitzen und genießen zu dürfen.

Seit über zwanzig Jahren bin ich mit Veronika befreundet und es ist mir immer wieder ein großes Anliegen ihre Werke der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. So durfte ich schon einige Vernissagen im Sozialbereich für sie organisieren, die immer wieder dem jeweiligen Rahmen thematisch optimal angepasst wurden und ob ihrer Außergewöhnlichkeit viel Bewunderung erregten.

Ich freue mich, dass unserer Gruppe „Zeitengeister“ eine so große Künstlerin in ihrer Mitte hat und somit unsere gemeinsamen Aktivitäten enorm bereichert.

Alexandra Beck